Wir waren Ende Januar im Diderot zu Suppe, Stulle und dem ersten Tischgespräch zum Thema Esskultur im Wandel der Zeit. Dazu hatte Satellite Berlin – Art in collaboration eingeladen, welches im November letzten Jahres das Modul virtual forces – food in context ins Leben gerufen hat. Mit uns am Tisch Journalisten, Weinkenner, Slow Fooder, Gestalter und Tangotänzer zusammen mit den Gastsprechern Hellmuth Nordwig und Anna Küfneim.
Es gibt es viele traditionelle, regionale Gerichte, aber DIE deutsche Küche existiert irgendwie nicht. Zumindest nicht in unseren Köpfen. Im Ausland werden wir auf Brezeln, Weißwürste und Spätzle reduziert. Vielleicht sind wir weniger verankert, leben diese Esskultur nicht so sehr aus wie die Franzosen, Italiener, Spanier. Und doch ist es verblüffend.
, die nicht so viel Wert darauf legt zusammen das Kochen und Essen zu zelebrieren? Essen ist immer auch Identität und scheint heutzutage wichtiger als je zuvor. Es geht um Abgrenzung und Gruppenzugehörigkeit. Wir suchen Halt und Verbundenheit in einer Welt, in der alles zu jedem Zeitpunkt verfügbar ist. Das gilt zumindest für unseren reichen Industriestaat, in dem es nicht mehr um die primäre Nahrungsaufnahme geht, die unser Überleben sichert, sondern viel mehr um den Luxus des Überangebots. Und selbst dabei sprechen wir von einer kleinen Gruppe an Menschen, die sich besonders viel mit dem Thema auseinandersetzt.
Der Trend zu Clean Eating, Paleo oder veganen, vegetarischen und basischen Ernährungsweisen hin zu regionalem und saisonalem Einkaufsverhalten scheint immer mehr Menschen zu erreichen. Was nicht zuletzt in zugespitzter Ausführung auch als Ersatzreligion herangezogen wird. Letztendlich sprechen wir hier doch aber ganz klar von einer „Foodie Bubble“, in der wir leben. Für die Mehrzahl der Deutschen sollen Lebensmittel preiswert sein. Dazu geben die Discounter ihr bestes und werben mit dem Billigwahn. Und auch ein Porsche vor dem Lidl wird keineswegs hinterfragt. Dies signalisiert ganz klar, was dem Deutschen wichtig ist. Auch wenn es DEN Deutschen nicht gibt. Der Durchschnitt mag es preiswert und bequem. Essen muss satt machen und soll schnell gehen. Warum die kulinarische Leidenschaft unsere Nachbarn uns nicht zur selben Lebensweise inspiriert, bleibt ungeklärt. Vielleicht ist es am Ende doch einfach das Klima und die Mentalität.
Statt das Abendessen zu zelebrieren, treffen wir uns halt auf mehrere Gänge Bier oder Wein. Dafür sind wir ebenso bekannt wie für besonders hohe Qualität und traditionelles Handwerk. Bleibt trotzdem die Frage, wie unsere Esskultur damals geprägt wurde, welche Spuren Wirtschaft und Politik hinterlassen haben, um dort zu landen, wo wir uns heute befinden. Deutschland war immer ein Land mit vielen Einflüssen aus dem Ausland. Zu- und Abwanderung, nicht zuletzt bedingt durch Kriege, haben für eine Veränderung von Produkten und Gerichten gesorgt. Aber auch die sparsame, „arme“ Küche nach dem zweiten Weltkrieg hat die deutsche Küche geprägt. Genauso wie die hohe Stellung des Fleisches mit dem Aufschwung der Wirtschaft. Michael Pollan beschreibt in seinem Buch Cooked den Wandel der 60er Jahre, in denen die Industrie immer mehr convience food auf den Markt wirft, damit „Mother“ endlich auch arbeiten gehen und am Weltgeschehen teilhaben kann. Die Macht der Konzerne spielt immer eine große Rolle dabei. Bleibt am Ende aber auch immer noch die deutsche Geschichte des 2. Weltkriegs. Der Nationalstolz wurde vergraben und damit auch sämtliche deutsche Küche, mit der man sich zunächst einmal nicht mehr identifizieren wollte. Dies schuf mehr Akzeptanz und Offenheit gegenüber fremden Länderküchen, sodass Pasta, Reis und Co. ganz schnell Eingang in unsere private Küche bekommen haben.
, der vor allem in der Masse sichtbar wird. Die heutigen, sogenannten Food Trends werden nur von einer kleinen Gruppe gelebt und größtenteils außerhalb kaum wahrgenommen. Es bleibt spannend, wo die Reise hingeht. Das wird wohl am Ende wie immer die Politik entscheiden.